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Die Scheidungskonvention - Was hat es mit der Vereinbarung zu den Scheidungsfolgen auf sich?

Fürsprecherin Sibylle Burger-Bono im Interview

Die Scheidungskonvention stellt einen Vertrag zwischen Ehegatten dar, in dem diese die Folgen ihrer Scheidung regeln. Welche Punkte in einer Scheidungskonvention zwingend festgehalten werden müssen, wann das Gericht die Genehmigung einer solchen verweigern kann und ob die Scheidungskonvention nach der Scheidung noch geändert werden kann, beantwortet Ihnen Fürsprecherin und Expertin im Familien- und Eherecht Sibylle Burger-Bono im nachfolgenden Interview.

Sibylle Burger-Bono ist Rechtsanwältin und legte 1993 ihr Staatsexamen ab. Seit diesem Zeitpunkt ist sie in zwei Themenbereichen tätig: einerseits dem Familienrecht, andererseits dem Arbeitsrecht. In letzterem war sie für das Aufbauen zweier Abteilungen für die Bundesverwaltung und die SBB verantwortlich. Sibylle Burger-Bono selbst ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter.

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Sibylle Burger-Bono

Rechtsanwältin für Familienrecht

Was ist eine Scheidungskonvention? Was versteht man darunter?

Unter einer Scheidungskonvention versteht man in erster Linie einen Vertrag zwischen Ehegatten. In diesem Vertrag regeln diese die Folgen ihrer Scheidung. Der Vertrag muss schriftlich abgefasst sein, er muss selbstverständlich unterzeichnet sein und gerichtlich genehmigt werden, da er ansonsten nicht gültig ist.

Was wird in dieser geregelt bzw. was sollte in jedem Fall geregelt werden?

Die Grundlage bildet der Scheidungswille. Das heisst, der gemeinsame Wille beider Ehegatten, geschieden werden zu wollen.

Sofern unmündige Kinder vorhanden sind, gilt es, die elterliche Sorge, die Obhut, das Besuchsrecht und den Unterhalt zu regeln. Darüber hinaus muss geklärt werden, ob und wie hoch Unterhaltsansprüche zwischen den Ehegatten bestehen. Nicht in jedem Fall sind diese geschuldet. Ebenso wird die berufliche Vorsorge aufgeteilt. Andere Bereiche betreffen die Aufteilung des Vermögens – das sogenannte Güterrecht.

Es gibt bestimmte Punkte, die vom Gericht geprüft werden müssen bzw. das Gericht muss sich über diese eine eigene Meinung bilden. Das betrifft zum Beispiel die Kinderzuteilung, also die Obhut und somit die Frage, wo die Kinder künftig wohnen sowie das Besuchsrecht und die elterliche Sorge.

Vermögensrechtliche Fragen können die Parteien hingegen selbstständig lösen, wobei das Gericht diesbezüglich nichts überprüfen darf. Die Parteien können sich ebenso darauf einigen, dass bestimmte Punkte nicht geregelt werden oder dass kein Vermögen besteht.

Was passiert, wenn sich die Ehegatten bezüglich mancher Scheidungsfolgen nicht einigen können? 

Grundsätzlich ist es so, dass – sollten sich die Ehegatten nur über bestimmte Teilbereiche einig werden können – das Gericht die restlichen Punkte regelt. Das heisst jedoch nicht, dass das Gericht in einem solchen Fall sofort ein Urteil fasst. Auch das Gericht wird in erster Linie versuchen, eine Lösung zwischen den Ehegatten anzustreben und auszuhandeln. Hierfür wird es durchaus Zeit und Mühe einsetzen.    

90% aller Scheidungen werden durch eine Konvention geregelt, manchmal auch nach Streitigkeiten vor Gericht. Im Normalfall gibt es jedoch am Schluss eine umfassende Regelung und nur in wenigen Fällen muss das Gericht entscheiden. 

90% aller Scheidungen werden durch eine Konvention geregelt, manchmal auch nach Streitigkeiten vor Gericht.

Welche Vorteile bietet eine Scheidungskonvention?

In erster Linie ist es eine deutlich weniger stressige Vorgehensweise. Es wird weniger Zeit beansprucht, in der die Parteien individuelle Lösungen finden können. Im Idealfall nähern sie sich in Verhandlungen langsam an, was dazu führt, dass das Verfahren häufig stimmiger abgeschlossen werden kann. Wer sich in einer Verhandlung einem Ziel langsam annähert, der kann das Ergebnis danach besser verarbeiten und akzeptieren.

Unter Anwältinnen sagt man jeweils: wenn beide Parteien ein wenig unzufrieden sind, dann handelt es sich um eine gute Lösung. Die Ehegatten beweisen dadurch aber auch, dass sie, zumindest in einem kleinen Teil, einen Konsens finden und kommunizieren können.

Gibt es bestimmte Formvorschriften, die bei einer Scheidungskonvention eingehalten werden müssen? Wie erlangt die Scheidungskonvention ihre Gültigkeit?

Eine Ehescheidungskonvention ist immer schriftlich abzufassen. Ausserdem muss sie gerichtlich genehmigt werden, da die Scheidung ansonsten nicht vollzogen ist.

In vermögensrechtlichen Fragen liegt es im Ermessen der Parteien eine Lösung zu finden. Wenn das Gericht entscheiden muss, tut es dies natürlich gemäss den gesetzlichen Regelungen und der Gerichtspraxis.

Gibt es Fälle, in denen das Gericht die Genehmigung verweigern kann? 

Ja, das kann es sehr wohl, insbesondere in Bezug auf Kinderbelange. Kinder müssen vom Gericht zwingend angehört werden – sofern sie dazu schon in der Lage sind, was jedoch relativ früh der Fall ist.

Es werden somit Befragungen durchgeführt, wobei diese bei kleineren Kindern natürlich nicht im Gerichtssaal und auch nicht vor den Eltern stattfinden. Der Richter führt das Gespräch allein mit dem Kind. Sollte der Richter anschliessend den Eindruck erhalten, dass etwas nicht stimmt, kann das Gericht die Regelung der Eltern ablehnen und diese durch Fachpersonen überprüfen lassen.

Erhalten die Kinder im Falle einer Scheidung irgendeine Form der (psychologischen) Betreuung?

Ja, das ist häufig so. Es gibt öfters Fälle, in denen die Kinder selbst einen Anwalt erhalten. Häufig wird das auch durch die Vormundschaftsbehörde, die sogenannte KESB, organisiert werden, indem man den Kindern einen Beistand zur Seite stellt, der sie unterstützt und ihre Interessen wahrnimmt.

In jenen Bereichen, die im Ermessen des Gerichts liegen, muss sich dieses einen umfassenden Überblick verschaffen, oftmals in Form von Gutachten – etwa psychologische oder psychiatrische Gutachten. In der Regel wird hierbei, wie bereits erwähnt, eine Beistandsperson bzw. ein Anwalt oder eine Anwältin helfen.  

Bei Punkten, die im Ermessen der jeweiligen Parteien liegen, nimmt das Gericht lediglich die Einigung der Parteien zur Kenntnis. Einfache Beispiele wären die Aufteilung des Mobiliars oder von Fahrzeugen. In solchen Fällen prüft das Gericht die Regelung inhaltlich nicht, es sei denn eine Partei ist mit der Regelung nicht einverstanden.

Das ist eine wichtige Unterscheidung, da viele Klienten der Meinung sind, dass das Gericht auch solche Punkte überprüft, das ist aber nicht so. In vermögensrechtlichen Fragen liegt es im Ermessen der Parteien eine Lösung zu finden. Wenn das Gericht entscheiden muss, tut es dies natürlich gemäss den gesetzlichen Regelungen und der Gerichtspraxis.

Ist es möglich, die Scheidungskonvention zu ändern oder zu widerrufen bzw. kann die Scheidungskonvention nach der Scheidung noch geändert werden?

Die Ehescheidungskonvention kann nur bei massiven Mängeln widerrufen werden. Man nennt diese Willensmängel.

Ein Beispiel wäre etwa, wenn der Ehemann feststellt, dass seine Frau hinter seinem Rücken seit einigen Monaten ein hohes Zusatzeinkommen erzielt, ohne ihm etwas davon gesagt zu haben. In einem solchen Fall wären die Unterhaltsbeiträge tiefer ausgefallen. Sollte er das im Nachhinein herausfinden, kann er die Ehescheidungskonvention abändern bzw. aufheben lassen. Stellt die Ehefrau beispielsweise fest, dass der Ehemann Schwarzgeldkonten im Ausland hat, die er während der Ehe aufgebaut und von denen sie nichts gewusst hat, dann muss sie dies beweisen können. Derartige Beweise sind jedoch nicht einfach zu erbringen.   

Wenige Punkte können auch nach der Scheidung geändert werden. Grundsätzlich ist die Ehescheidung jedoch fix, weswegen nichts mehr abgeändert werden sollte – die Gerichte sind diesbezüglich sehr zurückhaltend.

Ein wichtiger Punkt, in dem Abänderungen möglich sind, betrifft die Kinderbelange. Zum Beispiel können Unterhaltsbeiträge von Kindern erhöht oder gesenkt werden, wenn sich die Umstände entweder des Unterhaltspflichtigen oder auch des anspruchsberechtigten Kindes massgeblich und dauerhaft ändern.

Ein deutlich höheres Einkommen oder Vermögen des Unterhaltsverpflichtenden kann beispielsweise zu einer Erhöhung der Kinderunterhaltsbeträge führen. Auch Fälle, in denen ein Kind zum Beispiel einen Lehrlingslohn verdient, der zuvor noch nicht bestand,, können dazu führen, dass die Unterhaltsbeiträge gekürzt werden.

Sollte das Kind den Kontakt zum unterhalts-verpflichtenden Elternteil – ohne Grund – abbrechen, kann das dazu führen, dass dieser die Unterhaltsbeiträge nicht mehr bzw. nicht mehr in der ursprünglich vereinbarten Höhe zahlen muss.  

Bei den Unterhaltsbeiträgen an den ehemaligen Ehegatten gibt es, wie auch beim Kindesunterhalt, die sogenannte Indexklausel, die bereits in der Ehescheidungskonvention eingefügt wird. Das heisst, wenn der Landesindex für Konsumentenpreise massgeblich steigt, wird auch der Unterhaltsbeitrag automatisch nach oben hin angepasst.

Unterhaltsbeiträge an Ehegatten werden im Normalfall nicht nach oben angepasst. Nach unten können sie angepasst werden, sofern massgebliche und dauerhafte Änderungen eintreten. Grundsätzlich geht man davon aus, dass Veränderungen unter 20% nicht zu einer Senkung des Unterhaltsbeitrages führen. Das muss aber individuell geprüft werden.

Wie beantragt man eine solche Änderung?

Diese wird durch denjenigen, der den Anspruch hat, beim Gericht beantragt. Das nennt sich dann eine Abänderungsklage. Es handelt sich um ein normales Gerichtsverfahren, wobei man sich selbstverständlich auch aussergerichtlich einigen kann. Diese Einigung muss jedoch wiederum gerichtlich genehmigt werden.

Derartige Änderungen kann man bereits in der Konvention festhalten. Man kann also vereinbaren, sollten sich die Verhältnisse – beispielsweise um 15% oder mehr – ändern, wird der Unterhaltsbeitrag automatisch um diese Änderungsquote angepasst.    

familienrechtsinfo.ch: Was kann ich tun, wenn die Scheidungskonvention nicht eingehalten wird?

Handelt es sich um Geldforderungen, können diese sofort in Betreibung gesetzt werden. Der Vorteil ist, dass es sich dabei um gerichtliche Entscheidungen handelt und Urteile mit einer Betreibung schneller durchzusetzen sind. Der Betriebene kann nämlich nur einwenden, dass er bereits bezahlt habe, dass ihm die Forderung gestundet wurde oder dass sie ihm erlassen wurde. Er kann aber nicht einwenden, dass die Unterhaltsbeiträge damals falsch berechnet wurden.

Bei anderen Forderungen muss man die Vollstreckung bei Gericht verlangen, beispielsweise die Herausgabe eines Mobiliarstückes. Das Gericht wird die Herausgabe verfügen und notfalls auch polizeilich umsetzen.

Ein Spezialfall ist die Umsetzung des Besuchsrechts bei Kindern. Es besteht zwar die Möglichkeit, dieses – wie andere Urteile auch – vollstrecken zu lassen, nur ist die Vorstellung, dass ein Kind polizeilich zu einem Besuchsrecht abgeholt wird, eher grauenhaft. In solchen Fällen ist es sinnvoll, die Kinder- und Erwachsenenschutzstelle anzurufen, die feststellt, dass das Besuchsrecht nicht ausgeübt werden kann. Anschliessend wird eine Beistandsperson eingesetzt, die in langwierigen und aufwendigen Gesprächen mit den Eltern dazu beitragen kann, dass das Besuchsrecht umgesetzt wird . 

Auch hier gibt es jedoch Grenzen. In manchen Fällen sagt der Berechtigte selbst, dass es keinen Sinn macht, weiter Druck auszuüben, da das Kind dadurch zu stark traumatisiert wird und letztendlich noch zusätzliche Verletzungen erleidet. Nach meiner Meinung ist diejenige Person, die nachgibt, meist jene, die für das Kind mitdenkt und sein Wohl im Auge hat.  

Kommt es denn in der Praxis häufiger vor, dass sich die Umsetzung des Besuchsrechts als schwierig erweist?

Derartige Fälle kommen nicht nur bei Ehescheidungen, sondern auch bei Trennungen unverheirateter Eltern, sehr häufig vor. In meiner Praxis kommen diese Fälle sehr häufig vor. Sie sind immer Ausdruck eines schwerwiegenden Konflikts.

Es liegt in der Regel daran, dass die Eltern – durch Konflikte mit dem Ehepartner, die mitunter jahrelang gedauert haben – nicht mehr zwischen Elternrolle und ihrer verletzten Partnerrolle unterscheiden können. Diese haben oftmals das Gefühl, dass jemand, der sie so sehr verletzt hat, nicht gut für ihr Kind sein kann. Sie schaffen es dadurch nicht, zu unterscheiden, was ihre Verletzung und was das Bedürfnis ihres Kindes ist.

familienrechtsinfo.ch: Können die Scheidungsfolgen bereits im Ehevertrag geregelt werden?

Ja, die meisten können geregelt werden, wie etwa Anteilrechte an einer Unternehmung, einer Liegenschaft, der nacheheliche Unterhalt. Kinder-rechte können nicht vorab definitiv geregelt werden.

Eine Scheidung bedeutet einen der grössten negativen Einschnitte im Leben eines Menschen und ist deshalb immer mit emotionalen Verletzungen sowie irrationalen Vorstellungen und Wünschen verbunden.

Wie können Sie, als Rechtsexpertin im Familienrecht, Ehegatten bei der Erstellung einer Scheidungskonvention unterstützen?

Bei mir steht die Beratung meiner Klienten über die tatsächlichen rechtlichen Möglichkeiten und ihre Risken an oberster Stelle. Dazu müssen mir möglichst umfassende Unterlagen vorliegen. Ausserdem gilt es abzuschätzen, was meinen Klienten wirklich wichtig ist. Das sind nicht zwingend möglichst hohe Unterhaltsbeiträge oder eine möglichst hohe Vermögenaufteilung.

In Verhandlungen ist es notwendig zu wissen, wo die roten Linien meiner Klienten liegen, die sehr unterschiedlich und mitunter nicht rechtlich begründbar sein können. Eine Scheidung bedeutet einen der grössten negativen Einschnitte im Leben eines Menschen und ist deshalb immer mit emotionalen Verletzungen sowie irrationalen Vorstellungen und Wünschen verbunden. Diese muss man aufnehmen und die Klienten behutsam an die rechtlichen Gegebenheiten und damit an das Machbare heranführen.

Einige Leute möchten erlittene psychische Verletzungen mit Geld ausgleichen lassen. Es ist meine Aufgabe ihnen zu sagen, dass das nicht geht. Emotionale Verletzungen kann man nur auf der emotionalen Ebene lösen – Geld hilft nicht. Geld ist dann wichtig, wenn man es aus wirtschaftlichen Gründen wirklich braucht und aus rechtlicher Sicht ein Ausgleich möglich ist.

Die Tatsache, dass seit 2000 die Verschuldensfrage nicht mehr geklärt wird, führt bei vielen Parteien zu Irritationen. Einige sind der Meinung, der Ex-Partner sei schuld und müsse daher zahlen. Diese Frage gibt es im schweizerischen Scheidungsrecht jedoch nicht mehr, sondern man klärt, wer welchen Betrag bezahlen kann und wer einen Anspruch hat, nicht aber, welche emotionalen Verletzungen beide zuvor einander zugefügt haben.

Das Parlament hat die Verschuldensfrage genau aus diesem Grund aufgehoben, da heute eine Ehescheidung keine Ausnahme mehr ist, die in der Biografie nicht vorkommen darf, sondern sie ist vielmehr zum Regelfall geworden. Die Frage, wer schuld am Scheitern der Ehe ist, hat in den meisten Fällen zu unrichtigen, ungerechten oder nicht beweisbaren Lösungen geführt. Es ist jedoch häufig so, dass nicht nur derjenige, der – ich sage das jetzt plakativ – fremdgeht, wirklich die alleinige Schuld an dem Scheitern der Ehe trägt.  

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Sibylle Burger-Bono

Rechtsanwältin für Familienrecht
in Bern

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